Unruhe um Zufluchtsstädte

Von Werner Hörtner · · 1999/11

Ein kulturpolitisches Projekt, das verfolgten AutorInnen in Österreich Sicherheit und Arbeitsmöglichkeiten gewährt, sorgt für Aufregung und Mißverständnisse.

Mit Verträgen, die uns vor Gott und der Welt binden, werden wir die ausländischen Krawallmacher, die womöglich auch noch etwas schreiben wollen, was gewiß nicht wahr sein wird, und was wir schon bei den Einheimischen nicht so gern sehen, überhaupt nicht mehr los. Das geht doch nicht!“ ereiferte sich Elfriede Jelinek. Sie hatte wieder einmal einen Anlaß gefunden, die ganze Erbärmlichkeit heimischer Politik und Mentalität aufzuzeigen. Daß Österreichs bekannteste Schriftstellerin dabei am Ziel vorbeischoß und Personen aufs Korn nahm, die sich seit Jahren in Österreich um ein Funktionieren des Projekts „Städte der Zuflucht“ bemühen, ist ihr vielleicht im nachhinein bewußt worden. Oder auch nicht.

Dabei hätte Frau Jelinek bescheid wissen müssen, ist sie doch österreichisches Mitglied in dem u.a. von Salman Rushdie und Wole Soyinka gegründeten „Internationalen Schriftstellerparlement“ (IWP). Diese Instanz betreibt seit 1995 die Idee eines Netzes von Asylstädten, in denen verfolgte oder bedrohte AutorInnen Zuflucht finden können – das SÜDWIND-Magazin berichtete bereits mehrmals darüber. In Österreich sind Wien, Graz, Salzburg und Götzis in Vorarlberg diesem Netzwerk beigetreten.

Mit den eingangs erwähnten Verträgen bezieht sich Elfriede Jelinek auf die schriftlichen Vereinbarungen der Asylstädte mit dem IWP. Von den vier österreichischen Zufluchtsstädten hat nur Salzburg einen derartigen Vertrag mit dem gegenwärtig von Wole Soyinka geleiteten Schriftstellerparlament abgeschlossen. Im Juli 1998 hat die zuständige Kunstsektion des Bundeskanzleramtes den Entwurf eines Mustervertrages zwischen dem IWP und den österreichischen Asylstädten übermittelt, doch erfolgte bis heute keine Antwort darauf. Bei einem Treffen aller mit der Durchführung dieses Projekts betrauten Personen im vergangenen September wurde ein weiteres Schreiben an den nigerianischen Nobelpreisträger aufgesetzt, worin die Bereitschaft ausgedrückt wird, nach dem Salzburger Vorbild Verträge zwischen den österreichischen Trägervereinen und dem IWP zu schließen, und um eine Verbesserung der Kommunikation ersucht wird.

Ein weiterer Punkt der Auseinandersetzung, die u.a. auch über die Kommentar-Seite der Tageszeitung „Der Standard“ ablief, war die Anfrage von Götzis beim IWP in Brüssel, was nach dem Auslaufen der eingegangenen Verpflichtung für den usbekischen Schriftsteller Jodgor Obid mit diesem geschehen solle. Obid war 1997 nach Graz gekommen und im September 1998 nach Vorarlberg übersiedelt – die Folge eines Rochademodells, um die verfolgten AutorInnen nicht schon nach einem Jahr wieder ans IWP zurückgeben zu müssen. Im gültigen Statut des Schriftstellerparlaments ist die Rede, daß sich die Zufluchtsstädte zu einer Aufenthaltsdauer von einem Jahr ohne Verlängerung (bei einem Paar auf zwei Jahre) verpflichten.

Bleibt zu hoffen, daß dieses kulturpolitisch und humanitär beispielhafte Projekt im Sinne der zufluchtsuchenden AutorInnen weitergeführt wird. Das Bundeskanzleramt hat seine Bereitschaft signalisiert, die ursprünglich bis Ende 2000 zugesagten Bundeskosten zu dem Projekt – jährlich 520.000,- öS – weiterzutragen. Den Rest teilen sich die Länder und Gemeinden

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